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Vor 70 Jahren mussten Südtiroler für Mussolini in Äthiopien kämpfen

LPA - Am 3. Oktober 1935, vor genau 70 Jahren, begann der Überfall italienischer Truppen auf Abessinien. Im heutigen Äthiopien mussten erstmals Südtiroler in großer Zahl im Heer Mussolinis kämpfen. Trotz seiner Bedeutung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges ist der Abessinienkrieg von 1935/36 im historischen Bewusstsein bisher kaum präsent. Ein Forschungsprojekt des Landesarchivs untersucht die Auswirkungen auf Südtirol. Dazu erscheint in wenigen Monaten ein Buch. Auch eine Ausstellung ist geplant.

Brief aus der Heimat
Äthiopien war das einzige ostafrikanische Land, das bis in die 30er Jahre nicht unter europäische Kolonialherrschaft geraten war. Die Schwäche des Völkerbundes ermunterte Mussolini, mit der Eroberung und der Annexion Abessiniens ein zusammenhängendes Kolonialreich in Ostafrika zu schaffen. Im Eroberungsfeldzug mussten erstmals auch Südtiroler in großer Zahl für das italienische Heer kämpfen. Mindestens 1200 junge Männer der Jahrgänge 1911 bis 1913 wurden an die Ostküste Afrikas verschifft und standen bei den unterschiedlichsten Einheiten im Dienst. Auch eine Hundertschaft von Arbeitern aus unserem Land ging nach Abessinien, um dort das Straßen- und Eisenbahnnetz aufzubauen.

Der Krieg selbst verlief für Italien nicht wie geplant. Trotz einer erdrückenden technisch-militärischen Übermacht kamen Mussolinis Soldaten nicht so rasch ans Ziel, wie sie gehofft hatten. Der Duce gab der Generalität deshalb freie Hand zum systematischen Einsatz von Giftgas. Endlich, im Mai 1936 eroberten die Italiener die Hauptstadt Addis Abeba, Mussolini bekam sein „Imperium“. Der harterkämpfte Sieg nützte Mussolini vor allem in der Heimat: „Die antifaschitische Opposition wurde massiv geschwächt, das Regime war auf dem Höhepunkt seiner Macht und fand erstmals breiten Konsens in der Öffentlichkeit. Auch in Südtirol wirkte dieser national-faschistische Siegestaumel“, so der Projektleiter Gerald Steinacher vom Südtiroler Landesarchiv. Doch der Traum währte nur kurz, schon fünf Jahre später wurden die Italiener von den Briten aus Abessinien vertrieben.

Was wohl den wenigsten bekannt sein dürfte: Südtirol ist ist bis heute voller Erinnerungsorte an diese Zeit, wie etwa dem Alpini-Denkmal in Bruneck, Straßenbenennungen wie „Amba Alagi“, „Reginaldo Giuliani“ und „Otto Huber“.

„Dieses Projekt war die allerletzte Möglichkeit noch Zeitzeugen zu interviewen und deren Erinnerung zu sichern. Wir erhielten auch eine wertvolle Fotodokumentation mit insgesamt über tausend Aufnahmen; ein Aufruf an die Bevölkerung war äußerst erfolgreich“, so Steinacher.

Auffallend ist die hohe Zahl an Deserteuren aus Südtirol. In den 30er Jahren hofften viele Südtiroler auf eine baldige nationale „Befreiung“ des Landes durch Hitler. Für Mussolini wollte man in Afrika nicht den Kopf hinhalten, daher entzogen sich mehrere Hundert Südtiroler der Einberufung und flohen nach Österreich oder Deutschland. Die Stimmung der Südtiroler war überwiegend gegen den Krieg wie es auch Claus Gatterer, damals Volksschüler, treffend beschrieb: „Für uns im Tal war der abessinische Krieg eine klare Angelegenheit. Wir waren für den Negus und seine Abessinier auf Grund jener Sympathiegefühle, die der Schwache dem anderen Schwachen entgegenbringt… Doch hielten wir auch deshalb zum Negus, weil dieser gegen die Italiener war und weil wir hofften, die Abessinier würden den Italienern einiges von dem heimzahlen, was wir ihnen heimzuzahlen gehabt hätten.“

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden Anfang 2006 in Buchform und in einer Begleitausstellung vorgestellt.

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