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Schulwechsel mit mehr Durchlässigkeit und Ausbildungsorientierung begegnen

LPA - Mit mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen und einer verstärkten Ausbildungsberatung und Berufsorientierung will das Land dem Problem des Schulwechsels beziehungsweise des Schulabbruchs begegnen. Das erklärte heute (Dienstag, 18. September) Bildungslandesrat Otto Saurer bei der Vorstellung einer Langzeitstudie zu dieser Problematik. Die Studie wurde vom Sozialforschungsinstitut "apollis" im Auftrag der Südtiroler Landesregierung mit finanzieller Unterstützung des Europäischen Sozialfonds durchgeführt.

"Ein Schulabbruch oder Schulwechsel am Beginn der weiterführenden Ausbildung oder am Ende der Mittelschule muss nicht unbedingt langfristige negative Auswirkungen nach sich ziehen. Vier Jahre nach dem Wechsel oder Abbruch sind die Dinge meistens weitgehend ins Lot gekommen. Für eine Minderheit der betroffenen Jugendlichen gleichen solche schulischen Probleme dagegen einer Hypothek, die sich nur schwer abtragen lässt", so Hermann Atz vom Forschungsinstitut "apollis".  

Über tausend Schülerinnen und Schüler brechen jährlich ihre Ausbildung ab oder wechseln den Ausbildungsweg. Darunter sind mehr Buben als Mädchen, mehr Oberschüler als Mittelschüler. In den meisten Fällen absolvieren diese Jugendlichen nach einer Unterbrechung oder einem Wechsel eine andere Ausbildung und sind damit beziehungsweise mit ihrer Erwerbstätigkeit weitgehend zufrieden. Nur wenige erreichen keine berufliche Qualifikation. Bei diesen könne man von einer Problemgruppe sprechen, da die mangelnde Ausbildung eine Erwerbstätigkeit erschwere, gleichzeitig das Selbstwertgefühl beeinträchtige und auch die Bereitschaft zu einer nachträglichen Qualifikation oft nicht mehr bestehe.

Diese Ergebnisse können der Langzeitstudie über die problematischen Bildungsverläufe an Südtirols Mittel-, Ober- und Berufsschulen entnommen werden. Bei der heute vorgestellten Studie handelt es sich um eine Langzeitstudie: Auf der Grundlage einer ersten Untersuchung, die sich auf das Schuljahr 2001/02 bezogen hatte, wurden nun 400 der Schülerinnen und Schüler erneut befragt, die damals Schule gewechselt oder sie abgebrochen hatten und bereits im Rahmen der ersten Studie interviewt worden waren. 

Zum Zeitpunkt der Folgeuntersuchung, die sich auf das Schuljahr 2005/06 bezieht, war die Mehrheit der Jugendlichen ins Erwerbsleben getreten, während sich 2001/02 noch 80 Prozent in der Ausbildung befanden; nur wenige (drei Prozent der Befragten) waren in die Schule zurückgekehrt, obwohl der Großteil bei der ersten Befragung entsprechende Absichten geäußert hatte.

Fast zwei Drittel haben im Verlauf der vier Jahre einen schulischen oder beruflichen Abschluss gemacht: einige wenige der befragten Jugendlichen holten zumindest das Mittelschuldiplom nach, ein gutes Drittel schloss die Berufsschule (Lehre oder Fachschule), ein Viertel die Oberschule (mit Matura oder Fachdiplom) ab. Für Landesrat Saurer bietet das umfassende Bildungsangebot im Land in vielen Fällen eine passende Ausbildungsalternative.

Dennoch wirkt sich ein Schulwechsel oder Schulabbruch - wie auch die Untersuchung ergab - auf die berufliche Laufbahn und das Leben aus: Er verlängert meist die Ausbildungszeit, bedeutet großteils ein niedrigeres Schulabschlussniveau und verringert damit die beruflichen Aufstiegschancen. Beispielsweise liegt die Quote der Oberschulabsolventen mit 19 Prozent weniger als halb so hoch wie im Durchschnitt. Die Befragten sind außerdem durchschnittlich früher ins Erwerbsleben eingetreten.

Was den Eintritt in die Arbeitswelt angeht scheinen die Folgen schulischer Probleme im Sinne der Untersuchung weniger weitreichend zu sein. Die befragten Jugendlichen sind in hohem Maß mit ihrem Leben insgesamt zufrieden, auch bezüglich ihrer wirtschaftlichen Lage, ihrer berufliche Kenntnisse und sogar ihres Bildungsweg äußern sie sich zu 80 und mehr Prozent positiv. Das Selbstwertgefühl liegt relativ hoch.

Ein Viertel der Befragten aber hat keine berufliche oder schulische Qualifizierung über dem Mittelschuldiplom und vermutlich geringe Chancen, dies noch nachzuholen. Angesichts der seit diesem Schuljahr zehnjährigen Schulpflicht werten die Schulverantwortlichen diese Tatsache als große Herausforderung, zumal nun der Mittelschulabschluss Voraussetzung für den Besuch der weiteren zwei Pflichtschuljahre ist.

Landesrat Saurer bezeichnete die bildungspolitischen Ziele einer größere Durchlässigkeit zwischen den Schulen und einer ausgebauten Ausbildungsberatung und Berufsorientierung auch als Maßnahmen gegen Schulabbruch oder Schulwechsel beziehungsweise deren negative Folgen: Eine bessere Durchlässigkeit würde den Übergang von einem Ausbildungsweg in den anderen erleichtern beziehungsweise ohne Zeitverluste ermöglichen, verstärkte Orientierungshilfen könnten dazu beitragen, einen Abbruch oder Wechsel ganz zu vermeiden. In diesem Sinne kämpft der Landesrat um die Berufsmatura. Was den Ausbau der Ausbildungsberatung angeht, sind die 1. Südtiroler Bildungsmesse im kommenden November und die Schaffung des Ausbildungsinformtionsnetzes zwei wichtige Schritte.

Der Gesamtbericht der Studie findet man unter www.apollis.it.

jw