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Gian, gou, gee oder gean – Alpen-Dialekt-Atlas online

LPA – Was in Südtiroler die "Gitsch" ist, heißt in Vorarlberg "Schmelg" und im Pinzgau "Mötzn". Einen Überblick über die verschiedenen Dialekte des Alpenraums gibt ein Dialektatlas, den die Arbeitsgemeinschaft der Alpenländer erarbeitet hat. Für Landesrätin Sabina Kasslatter Mur ist dieser Atlas ein Spiegel der kulturellen Vielfalt, die es zu pflegen gelte. Er bestätige aber auch die Notwendigkeit, die Hochsprache zu beherrschen, um Kommunikation über die Täler und Länder hinaus zu gewährleisten.

Gian, gou, gee oder gean – sind nur drei der vielen Begriffe, die im Alpenraum für "gehen" verwendet werden. Insgesamt 5.500 Begriffe, Redewendungen und Sätze hat das Team um den Salzburger Germanisten Hannes Scheutz für den ersten sprechenden Dialektatlas des Alpenraums im Auftrag der Arge Alp zusammengetragen und auf den Internetseiten der Arebitsgemeinschaft veröffentlicht. Eine Besonderheit des neuen Alpen-Dialekt-Atlasses ist, dass es sich dabei um einen "sprechenden" Altlas handelt: Unterschiedliche Dialektausdrücke, Sprechweisen oder Satzkonstruktionen aus verschiedenen Orten des Alpenraums können per Mausklick kostenlos angehört und vergleichen werden. Unter http://www.argealp.org/ sind Beispiele aus Graubünden, Vorarlberg, Süd- Nord- und Osttirol und Salzburg bis in den bayerischen Raum und das Trentino zu hören. Dabei zeige sich, dass die kleinräumigen Formen des Dialektes tendenziell verschwänden und sich größeren Regionen anpassten, so die Sprachwissenschaftler. Der Dialekt-Atlas umfasst auch Information über die verschiedenen Mundarträume und sprachlichen Grenzziehungen. Mit einem Dialekt-Quiz kann jeder Einzelne seine Dialekt-Kenntnisse testen.

Initiiert und finanziert wurde das Projekt von der Arge Alp mit dem Ziel, einer breiteren Öffentlichkeit auf diese Weise Einblick in die sprachliche Vielfalt und die kulturellen Wurzeln der Alpenländer zu geben. Auch will die Arge Alp über den Atlas Kulturerbe dokumentieren, das es in Zukunft in dieser Form zum Teil sicher nicht mehr geben werde.

Südtirols Kulturlandesrätin Sabina Kasslatter Mur erinnert in diesem Zusammenhang an den deutschen Philosophen und Journalisten Manfred Hinrich, der Dialekte als Farbspiele der Muttersprache bezeichnet: "In Südtirol sind diese ‚Farbspiele’ einzelner Täler derzeit zwar im Abflachen begriffen, parallel dazu erlebt aber der allgemeine Südtiroler Dialekt eine regelrechte Hochblüte", so die Landesrätin. Der Dialekt sei die Sprache der Nähe, das Hochdeutsche bedeute Distanz und Sachlichkeit. "Der digitale Alpen-Dialekte-Atlas ist ein Spiegel unserer kulturellen Vielfalt, über die wir Bescheid wissen und die wir pflegen sollen. Er bestätigt aber gleichzeitig die Notwendigkeit, die Hochsprache zu beherrschen, um über Tal- und Landesgrenzen hinaus wirksam und erfolgreich kommunizieren zu können", so LRin Kasslatter Mur. Bei allem Respekt vor der Hochblüte des Dialektes als Ausdruck eines zunehmenden Heimatgefühls und Regionalismus’ tritt die Landesrätin daher für eine perfekte Beherrschung des Hochdeutschen ein, die "für die Südtiroler als ethnische Minderheit weiterhin unverzichtbar" sei.

jw