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Tagung zum Aufbau eines Lehrgangs der höheren Berufsbildung
Mit dem möglichen Aufbau eines Lehrgangs der höheren Berufsbildung in Südtirol befasste sich heute eine Tagung der Deutschen Berufsbildung an der Eurac.
In vielen europäischen Ländern werden im tertiären Bildungsbereich neben den universitären Angeboten auch Fachhochschulen bzw. Lehrgänge der höheren Berufsbildung geführt, die auf die Ausbildung von spezialisierten Fachkräften ausgerichtet sind. Aktuell gibt es in Südtirol ein Angebot der höheren Berufsbildung: die Höhere Hotelfachschule am "Kaiserhof" in Meran. Ob diese Erfahrung auch auf andere Angebote – insbesondere auf die Bereiche Metallverarbeitung und Maschinenbau – ausgeweitet werden könnte, war Thema einer Tagung der Deutschen Berufsbildung, die heute (1. Juni) an der Eurac stattfand. Neben Vertretern der Schulwelt nahmen auch Unternehmer, Vertreter der Freien Universität Bozen sowie der Sozialpartner an der Tagung teil.
Auf die guten Chancen der Absolventen der höheren Berufsbildung wies Bildungslandesrat Philipp Achammer gleich einleitend hin. "Gerade für einen kleinen Wirtschafsstandort wie Südtirol ist die praktische Ausbildung besonders wichtig", erklärte der Landesrat und hob die Bedeutung der Berufsbildung aus arbeits-, bildungs- und wirtschaftspolitischer Sicht hervor. Auch wies er darauf hin, dass die Jugendarbeitslosigkeit dort am niedrigsten sei, wo der Anteil der Jugendlichen, die eine Berufsausbildung besuchen, besonders hoch ist.
Schulamtsleiter Peter Höllrigl stellte fest, dass Südtirol bereits ein buntes und vielfältiges Bildungsangebot besitzt. Allerdings, so der Schulamtsleiter, gäbe es auch einen "blinden Fleck", und dieser sei die postsekundäre Berufsbildung, die jene Fachkräfte ausbildet, die die Wirtschaft dringend benötigt. "Diese Lücke sollte gefüllt werden", meinte der Schulamtsleiter.
Der Direktor des Bereichs Deutsche Berufsbildung, Hartwig Gerstgrasser, ging auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für Lehrgänge der höheren Berufsbildung und die Erfolgsfaktoren für die Akzeptanz solcher Lehrgänge im europäischen Ausland ein: In Italien wurde 2008 die höherer technische Bildung reorganisiert. Die sogenannten "Istituti Tecnici Superiori" haben seitdem die Möglichkeit, spezialisierte Techniker in jenen Bereichen auszubilden, die von Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind. Dies gewährleistet einen Innovationsschub und den Technologietransfer in kleineren und mittleren Betrieben. Diese "Istituti" sind in Italien an den Oberschulen angesiedelt und als Stiftungen organisiert. Die Dauer der Ausbildung beläuft sich meist auf zwei Jahre, und als Zugangsvoraussetzung braucht es eine Matura. Mindestens 30 Prozent der Ausbildung sind für Praktika vorgesehen. Allerdings sind diese Bildungsangebote bislang noch wenig verbreitet. So gab es 2015 erst 75 solcher Stiftungen auf dem ganzen Staatsgebiet mit insgesamt 197 verschiedenen Lehrgängen, und nur 0,2 Prozent der Absolventen von Oberschulen haben sich bislang für diesen Ausbildungsweg entschieden.
Südtirol kann im Rahmen der eigenen Kompetenzen dieses Sachgebiet unter Einhaltung von Mindeststandards autonom zu regeln. So wurde ebenfalls im Jahre 2008 per Landesgesetz das Ausbildungssegment der Berufsbildungsordnung hinzugefügt. Die im Landesgesetz vorgesehenen Fachhochschulen haben eine Dauer von höchstens drei Jahren und schließen mit dem Fachhochschuldiplom ab. Im Unterschied zum restlichen Staatsgebiet haben nicht nur Absolventen einer Oberschule, sondern auch Absolventen einer mindestens vierjährigen Berufsfachschule sowie Meister Zugang zu den Fachhochschulen.
Als Kernelemente für den Erfolg einer höheren Berufsbildung machte Bereichsdirektor Gerstgrasser mehrere Faktoren aus: Zum einen gehört dazu das Lernen am Arbeitsplatz. Der breite Platz, den die Praktika in den Betrieben bei der Ausbildung einnehmen, erleichtere laut Gerstgrasser zudem den Einstieg in die Arbeitswelt. Auf Seiten der Lehrkräfte seien vor allem die Kompetenz, die aktuelle Branchenkenntnis und die Betriebserfahrung wichtig. Außerdem müsse auch auf die Vermittlung von Grundkompetenzen wie Sprache (Lesekompetenz) und Mathematik (alltagsmathematische Kompetenzen) großer Wert gelegt werden.
Von grundlegender Bedeutung sei aber vor allem die Transparenz der Lernergebnisse: "Die Qualifikationen müssen aussagekräftig sein", hob Gerstgrasser hervor, "hierzu ist es wichtig, die Sozialpartner bereits bei der Planung mit einzubeziehen."
Als konkretes Beispiel einer höheren Berufsausbildung in Südtirol stellte Schuldirektor Josef Paler die Höhere Hotelfachschule am "Kaiserhof" in Meran vor. Der Zugang zu diesem zweijährigen Studiengang, der mit dem Abschluss "Diplomierte Fachkraft für Hotel- und Tourismusmanagement" endet, ist nur mit Matura möglich. Zum Abschluss der Ausbildung müssen die Teilnehmer eine Diplomarbeit schreiben sowie eine schriftliche und eine mündliche Prüfung ablegen. Außerdem herrschte eine Anwesenheitspflicht von 85 Prozent.
Der Bereich Deutsche Berufsbildung hat in den letzten Monaten auch diverse Bedarfserhebungen zum Thema der höheren Berufsbildung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse von Karl Gudauner vorgestellt wurden. Die Befragungen hätten ergeben, dass die im Metallbereich tätigen Unternehmen mit der Ausbildung an den Landesberufsschulen und Technischen Fachoberschulen sehr zufrieden sind, unterstrich Gudauner, trotzdem bestünde durchaus Interesse an einer Qualifikationssteigerung. Insgesamt wurden das relativ kleine Einzugsgebiet sowie das unterschiedliche Bildungsniveau der möglichen Interessenten sowohl von den Unternehmern als auch von den befragten Vertretern der Schulwelt als Risiken gesehen.
Die heutige Tagung diente vor allem dem Meinungsaustausch und der Betrachtung des Themas aus verschiedenen Blickwinkeln. In weiteren Gesprächen soll das Konzept der höheren Berufsbildung noch vertieft werden, bevor dann auf politischer Ebene eine Entscheidung darüber fällt, ob bzw. in welcher Form das Modell der Fachhochschulen in Südtirol weiter ausgebaut werden soll.
me