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Südtirol und der Abessinienkrieg - Forschungsprojekt des Landesarchivs

Trotz seiner Bedeutung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges wurde der Abessinienkrieg von 1935/36 bisher kaum beachtet. Ein Forschungsprojekt des Südtiroler Landesarchivs soll dies nun ändern und einen ersten wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung dieses unerforschten Kapitels der Zeitgeschichte leisten.

Das Forschungsprojekt steht unter der Leitung von Gerald Steinacher vom Landesarchiv und soll in erster Linie der Erforschung der Südtiroler Aspekte in Zusammenhang mit dem Abessinienkrieg dienen. "Zwischen 600 und 1000 Südtiroler haben als Teil der italienischen Armee in Abessinien gekämpft", so Steinacher. Und auch eine Reihe von Straßennamen ("Amba Alagi", "Otto Huber") oder Denkmäler, etwa das umstrittene Alpini-Denkmal in Bruneck, erinnern auch heute noch an den Krieg.

Die geschichtliche Bedeutung des Abessinienkrieges liegt nicht nur darin, dass sich der Überfall italienischer Truppen auf Abessinien (heute: Äthiopien) 1935 zum größten Eroberungskrieg auswuchs, der je auf dem afrikanischen Kontinent ausgefochten wurde. Immerhin hat Italien auf dem Höhepunkt der Kämpfe nicht weniger als 330.000 Soldaten aus dem Mutterland und 87.000 Hilfstruppen aus Eritrea (Askaris) eingesetzt. Weitere 100.000 Militärarbeiter haben das Heer unterstützt. Trotz militärischer Überlegenheit war der Widerstand der Äthiopier aber unerwartet hart. Um diesen zu brechen, setzten die Italiener auch massiv Giftgas ein.    

Im Mai 1936 wurde schließlich die Hauptstadt Addis Abeba erobert. Mussolini erklärte daraufhin den Krieg offiziell für beendet, auch wenn Italien bis zum Ende seiner Kolonialherrschaft in Afrika nie das gesamte Land kontrollieren konnte. "Der italienische Eroberungsfeldzug in Äthiopien 1935/36 zählt zu den letzten und brutalsten europäischen Kolonialkriegen", so Steinacher.

Der Forschungsstand zu Südtirol und dem Abessinienkrieg ist sehr lückenhaft. Dieses dürftige Wissen stehe im krassen Gegensatz zur starken medialen und öffentlichen Präsenz des Themas, so die Einschätzung von Gerald Steinacher. "Von Seiten der Öffentlichkeit, gerade der lokalen Politik, gibt es ein sehr großes Interesse an der eingehenden Aufarbeitung dieser Geschichte", so der Leiter des Forschungsprojektes, das vom Südtiroler Landesarchiv im Herbst 2003 ins Leben gerufen worden ist.

"Die Erinnerung an diese Zeit soll für die Zukunft erhalten werden", so Gerald Steinacher. Er ruft alle Veteranen des Abessinienkrieges dazu auf, sich mit ihm in Verbindung zu setzen (Tel. 0471 411949). "Interessierte und Zeitzeugen können sich jederzeit bei mir melden", so Steinacher.

chr